Netzwerkanalysen in aquatischen Nahrungsnetzen: Ciliaten als Modelle
Loxodes mit ingestierten Algen
Aquatische Nahrungsnetze und die sehr komplexen Beziehungen zwischen den involvierten Organismen faszinieren aquatische Ökologen seit jeher. Die Aufklärung solcher Interaktionen und deren Auswirkungen auf die Funktion und das Funktionieren von Ökosystemen gehören zu den größten Herausforderungen in der Limnologie.
Aquatische Nahrungsnetze setzen sich aus mikroskopisch kleinen Organismen wie Viren, Bakterien, Einzellern (Protisten) und kleinen Mehrzellern zusammen, die im Jahresverlauf in unterschiedlichster Zusammensetzung nebeneinander vorkommen. Änderungen in den Gemeinschaften werden durch Umwelteinflüsse wie z.B. der Änderung der Umgebungstemperatur stark beeinflußt. Um herauszufinden, welche Faktoren das Auftreten einzelner Arten bedingen, wie die funktionellen Beziehungen zwischen den Organismen aussehen, welche Nahrungspräferenzen oder welche potentiellen Prädatoren einzelne Arten haben, ist es notwendig, ihre Dynamik im Jahresverlauf auf Artniveau zu kennen.
Das Hauptziel dieses Projekts ist es, die erklärenden Faktoren, welche die Variabilität von Protisten in Seen zeitlich und räumlich bedingen, zu identifizieren.
Wir basieren unsere Studie auf Ciliaten als Modellorganismen, da diese relativ einfach zu bestimmen sind und sich aufgrund kurzer Generationszeiten (Stunden bis Tage) rasch an geänderte Umweltbedingungen anpassen können. Des Weiteren ist die molekulare Taxonomie für Ciliaten aktuell deutlich besser erforscht als für die meisten anderen heterotrophen Protisten. Die hohe Diversität (weit mehr als 100 verschiedene Arten!) und Abundanz von Ciliaten in individuellen Seen weisen auf die qualitative und quantitative Bedeutung von Ciliaten in diesen Lebensräumen hin.
Zur Untersuchung der komplexen Wechselwirkungen von Ciliaten mit anderen Mikroorganismen in den Nahrungsnetzen zweier Modell-Seen (Mondsee und Zürichsee) verwenden wir eine polyphasische multidisziplinäre Strategie:
(i) Im ersten Jahr des Projektes untersuchen wir die Dynamik von Ciliaten in den Modell-Seen und erfassen dabei eine Vielzahl potentieller abiotischer und biotischer Einflussfaktoren.
(ii) In statistischen Netzwerkanalysen der erhaltenen Daten, basierend auf neusten Erkenntnissen der Graph-Theorie, werden wir Hypothesen herleiten, die Dynamik und Wechselwirkungen von Ciliaten mit den registrierten Einflussfaktoren postulieren.
(iii) Diese Hypothesen werden anschließend in experimentellen Ansätzen überprüft. Diese Strategie folgt dem klassischen Schema der Systembiologie und ist nur möglich durch die synergistischen Effekte der in unterschiedlichen Fachgebieten versierten Antragsteller.
Gefördert wird dieses internationale trilaterale Projekt von FWF (lead agency; I 2238-B25), SNF und DFG. Das Projekt wird von B. Sonntag (FWF, Leopold-Franzens Universität Innsbruck, A), T. Posch (SNF, Universität Zürich, CH) und T. Stoeck (DFG, TU Kaiserslautern, D) und dauert von September 2015 bis August 2020.